Eigentlich wollte ich ja mit allgemeinen Postings zum Niedertemperaturgaren beginnen. Aber nachdem ich jetzt seit ein paar Wochen mein Fleisch nur noch mittel "sous-vide" gare, habe ich beschlossen, nur diese Sonderform der Niedertemperaturmethode im Detail zu beschreiben und mich ansonsten auf eine kurze Einleitung zu beschränken.
Wer das erste Mal sein Fleisch so zubereitet auf seinem Teller vorfindet und probiert, wird überrascht sein. Mir ging es ähnlich wie in diesem Artikel beschrieben:
Als ich schließlich das Lamm vor mir hatte, wusste ich, dass das alles nicht normal sein konnte. Das Fleisch war enorm gleichmäßig gekocht und schmeckte gleichzeitig fantastisch intensiv.
[Technology Review, 03.11.05, heise.de]
Niedertemperaturmethode oder das Niedergaren, wie die Schweizer sagen, bedeutet im Grunde nur, dass das Fleisch bei niedriger Temperatur (oft 80°C) im Ofen gegart wird bis es eine bestimmte Kerntemperatur erreicht hat (bei Rind z.B. 55°C) und wahlweise vorher oder nachher in Öl oder geklärter Butter von allen Seiten scharf angebraten wird. Ich schreibe extra vorher oder nachher, da meist vorher angebraten wird, ich es allerdings günstiger finde, das Fleisch nachher mit einer leckeren Kruste zu versehen. Alternativ kann man natürlich auch einen Bunsenbrenner verwenden. Hauptsache es kommt zur Maillard-Reaktion [
wikipedia.de] und man erhält einen guten Bratengeschmack.
Die Niedertemperaturmethode (im folgenden nur noch NTM genannt) hat viele Vorteile und paar kleine Nachteile.
Vorteile:
- Jeder kann es.
- Das Fleisch schmeckt wunderbar zart.
- Es trocknet nicht aus, im Gegenteil es bleibt saftig, da kaum Bratensaft austritt.
- Falls die Gäste zu spät sind, läßt sich das Fleisch problemlos warmhalten.
Nachteile:
- An der Fleischoberfläche bildet sich aufgrund der niedrigen Temperatur keine Kruste, die für den Geschmack sehr wichtig ist. Dies kann man aber wieder wettmachen.
- Es dauert. Je nach Größe des gewählten Stück Fleisches können das schon mal ein paar Stunden sein. Also bitte nicht unterschätzen! Das ist fast das Einzige, was man bei dieser Zubereitungsart falsch machen kann.
- Man braucht ein Innenthermometer und einen möglichst guten Ofen mit konstanter Temperatur.
Zur NTM gibt es eine ganze Reihe von Büchern, deshalb hier keine weitere Anleitung. Anleitungen zu sous-vide folgen später. Zur weiteren Vertiefung und für Rezepte kann ich empfehlen:
- Fleisch sanft garen bei Niedertemperatur von Annemarie Wildeisen [amazon.de]
- Zart und saftig bei 80 Grad. Niedrigtemperaturgaren von Margit Proebst [amazon.de]. Einige ihrer Rezepte findet Ihr auch im Internet: 80°C Weihnachtsganz [margit-proebst.de], 80°C-Lammkeule mit Pesto-Füllung [margit-proebst.de]
- Niedergaren leicht gemacht; Betty Bossi [bettybossi.ch] Gute Zusammenstellung!
Was ist nun das Besondere bei sous-vide? Bei dieser NTM arbeitet man meist mit noch niedrigeren Temperaturen, oft 60°C oder darunter. Daraus resultiert natürlich auch eine noch längere Garzeit. Zum Ausgleich kann man sich das Innenthermometer sparen. Der große Unterschied ist allerdings, daß das Fleisch (Gemüse geht auch) vakuumverpackt ist. Dadurch findet kein Flüssigkeitsaustausch mit der Umgebung statt. Die geringe Menge austretenden Bratensafts kann vom Fleisch leicht wieder aufgenommen werden.
Es ist ein sehr technischer Vorgang - die neue Küche borgt sich Methoden aus der industriellen Nahrungsverarbeitung und wendet sie auf die Haute Cuisine an. "Sous Vide" (Französisch für "unter einem Vakuum") ist dabei die bekannteste und sicher auch erstaunlichste Innovation. Dabei werden die Zutaten in kleine Plastikbehälter gegeben und schließlich vakuumverpackt (das nennt man auch "Cryovacking"). Anschließend wird der Behälter in warmem Wasser sehr lange bei niedriger Temperatur gekocht.[...] Hohe Temperaturen, sagte er, beschädigen Nahrungsmittel. Die Zellwände von Fleisch, Fisch und Gemüse platzen auf und das so verdorbene Essen kann die Flüssigkeit, die es beim Kochen ausschwitzt, nicht wieder aufnehmen. Im Gegensatz dazu wird das Kochgut dank der niedrigen Temperatur beim "Sous Vide"-Verfahren geradezu verwöhnt: Flüssigkeit tritt kaum aus. Wenn das doch passiert, hilft die Vakuumverpackung dabei, dass das Kochgut die Flüssigkeit schnell wieder absorbieren kann.
[Technology Review, 03.11.05, heise.de]
Im nächsten Beitrag zu [sous-vide] werde ich versuchen, die Prozesse zu veranschaulichen, die das Fleisch beim Niedertemperaturgaren durchmacht.